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Donnerstag, 1. Mai 2014

Kambodscha 1 – Protokoll eines Grenzübertritts

Die schönen Tage auf der Insel sind vorbei.

Faulenzen auf Don Det
 

Wir besichtigen den Wasserfall Khon Pha Peng, der der größte Wasserfall Südostasiens sein soll.

Mekong Wasserfall Khon Pha Pheng

Vom Wasserfall sind es nur ein paar Kilometer bis zur Grenze. Zuerst passieren wir eine Schranke, geöffnet und niemand in Sichtweite. Die Schranke sieht schon etwas abgewrackt aus, also nicht mehr in Betrieb – denken wir – und weiter.

Dann erstrahlt es vor uns, in hellem Weiß und mit anmutig geschwungenen Dächern. Das brandneue Abfertigungsgebäude. Vier Abfertigungsspuren und auf allen Spuren stehen brandneue japanische SUV's. Wow, denken wir, hier herrscht aber Verkehr, und stellen uns brav hinter einem Land Cruiser an. Kaum angehalten kommt uns die Sache etwas komisch vor. Weit und breit ist niemand zu sehen. Weder die Fahrer der Fahrzeuge noch irgendwelche Grenzbeamten bevölkern die Anlage. Dann entdecken wir hinter dem brandneuen Abfertigungsbebäude eine alte Baracke von der jemand winkt. Wir setzen also zurück und umfahren das brandneue Gebäude um vor der alten Baracke erneut anzuhalten.

Hinter der Baracke befindet sich ein schattiger Garten. Hier liegen sechs Beamte total relaxed in ihren Hängematten und versuchen sich nicht zu bewegen. Ein klassischer Fall von "Beamtenmikado" (wer sich zuerst bewegt verliert). Die alte Baracke hat vorne ein Fenster mit der Aufschrift „Departure“. Also, denken wir, hier sind wir richtig und marschieren darauf los.

Dumm ist nur, dass sich das Fenster etwa auf Bauchnabelhöhe befindet, was – wie sich herausstellen wird – Teil des perfiden Planes ist um die Reisenden zu zermürben. Entweder man beugt den Kopf so tief, dass schon nach wenigen Minuten ein Blutstau im Kopf einsetzt, oder man kniet sich demütig vor dem Beamten in den Staub. Ich entscheide mich für Variante Zwei und reiche die Pässe durch das Fenster.

Der Beamte blättert mißmutig darin herum und bellt dann durch das Fenster „MISTER ! PAY ! FOUR DOLLAR!“. Der Ton hätte jedem Kompaniefeldwebel beim Morgenappell Ehre gemacht. Bei mir bewirkt er jedoch vor allem, das die Restmüdigkeit schlagartig verschwunden ist und der Blutdruck auf etwa 180 steigt.

Die weitere Konversation spielt sich dann wie folgt ab, wobei die sehr freie Übersetzung jeweils darunter steht:

Ich: Why?  
        - Was willst Du?
Er:   Stamp fee
        - Ich will Dein Geld
Ich: There is no stamp fee in Lao
        - Denkst Du, dass ich auf der Wassersuppe dahergeschwommen bin?
Er:   Everybody has to pay.
        - Zier Dich nicht so
Ich: No problem. I will pay what you are ask for, but I need a reciept
        - Jetzt fangen Deine Probleme erst richtig an. Von mir wirst Du kein Geld sehen.
Er:   Reciept, tomorrow .
        - Quittung, bekommst Du nie
Ich: No reciept, no money
        - Was machst Du jetzt ?
Er:  No money, no passport 
        - Du kannst hier versauern
Ich: No problem, give me your name and show me your ID
        - Jetzt wird es ernst für Dich. Gib mir Deinen Namen, Dienstgrad, Dienstnummer etc

In diesem Moment taucht aus dem Garten - wir erinnern uns, dort lümmeln weitere sechs Beamte herum -  der Vorgesetzte des Schalterbeamten auf. Mit flackerndem Blick erstattet der Jüngling seinem Boss Bericht und der tut was Vorgesetzte tun sollten. Er entschärft die Situation indem er unsere Pässe stempelt und uns zurückgibt. Damit hat er elegant das Risiko gebannt, dass zu viele Fragen gestellt werden und das schöne Nebenverdienstgeschäftsmodell in Gefahr gerät. 

Man merkt, der Mann macht das schon länger sehr erfolgreich. Sichtbares Zeichen des Erfolges sind die japanischen SUV's die in der brandneuen Kontrollstelle abgestellt sind. In einem Land in dem die meisten Menschen Moped fahren, ist es anscheinend nicht ungewöhnlich, dass sich einfache Beamte sündteure Autos leisten können.

Wir glauben auch, dass die neue Kontrollstelle so schnell nicht in Betrieb gehen wird, da die Beamten vor Ort schon Gründe finden das alles so bleibt wie es ist....

Nachdem wir endlich den Ausreisestempel haben, müssen wir nochmal zurück zur einsamen Schranke. Dort sitzt – oder besser gesagt – liegt in der Hängematte der Zollbeamte. Da hier jedoch auch keine SUV's im Schattten parken, gibt es den Stempel für das Carnet hier schnell und unkompliziert.

Die letzte Schranke hebt sich und wir sind in Kambodscha. Auch hier ein brandneues, modernes Abfertigungsgebäude. Doch soweit kommen wir zunächst gar nicht. Wie wir feststellen werden, haben die Kambodschaner das Abkassiersystem noch professioneller als die Laoten aufgezogen.

150 Meter vor dem Abfertigungsgebäude müßen wir an einer Schranke stehen bleiben und dann zu Fuß – bei etwa 37° C – zum Abfertigungsgebäude vorlaufen um den Zollstempel zu holen. Diese Art der Zermürbung ist fast noch besser als das Fenster auf Bauchnabelhöhe.

Zurück beim Auto dürfen wir in einer Baracke mit der Aufschrift „Visa Service“ das Visum beantragen.

Deutlich sichtbar haben die Beamten ein Schild ausgelegt auf dem sie Ihre Preisvorstellungen für „Visa and Stamp fee“ kundtun. 1000 THB (~25 €) oder 250.000 LAK (~ 23 €) oder - auf Nachfrage - 25 $ (~ 18 €). Dummerweise wissen wir, dass das Visum jedoch nur 20 $ (~ 14,50 €) kostet und das es keine "Stamp fee" gibt

Konsequenterweise entwickelt sich nach der Aufforderung „MISTER, PAY“ ein Dialog, der der Diskussion auf laotischer Seite der Grenze sehr ähnlich ist. Um Wiederholungen zu vermeiden, verzichte ich hier auf die Einzelheiten. Das magische Wort ist jedoch wieder „Quittung“. Wie für einen Vampir ein Kruzifix, so ist für einen korrupten Beamten eine Quittung ein Grund den Rückzug anzutreten.

Wir sind Abläufe wie oben beschrieben von den afrikanischen Grenzen gewöhnt. Es ist jedoch das erste Mal, dass wir in Südostasien an einer Grenze so unverfroren über den Tisch gezogen werden sollten. Na schön, denken wir, die Diskussionen sind ja ganz unterhaltsam und am Ende haben wir uns ja durchsetzen können. Dafür brauchen wir im Land nichts zu befürchten, denn die Kambodschaner sind ja grundsätzlich ehrlich...

Weit gefehlt, denn im Grenzgebiet scheint diese Art des Betruges weit verbreitet zu sein.

Wenige Kilometer weiter halten wir an einem Lebensmittelladen. Gaby möchte noch schnell 10 Eier, 2 KG Kartoffeln und 1 KG Gurken kaufen. Der Ladeninhaber verlangt von uns satte 10 € und das in einem Land in dem das jährliche Einkommen pro Kopf bei etwa 650 $ liegt.

Nach den Diskussionen an der Grenze haben wir keine Lust mehr auf ein endloses Gefeilsche und  kaufen nichts. Am nächsten Tag gehen wir auf dem Markt einkaufen. Dort bezahlen wir dann für die gleichen Produkte 2,50 €. 

Irgenwie fühlen wir uns so richtig willkommen in Kambodscha …

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